BGH – unzutreffende Blickfangwerbung nicht immer unzulässig

Eine irreführende Werbung ist bekanntlich unzulässig, so etwa die Werbung mit unzutreffenden Angaben zu einem Angebot. Gleiches gilt für Angaben im Blickfang, also Angaben, welche in der Werbung besonders hervorgehoben werden. Diese dürfen grundsätzlich für sich genommen nicht irreführend sein (z.B. 20 Prozent auf alles, wenn tatsächlich bestimmte Produktgruppen ausgenommen sind).

Objektiv falsche Angabe im Blickfang bei Klarstellung ggf. zulässig

Nun hatte sich der BGH einmal mehr mit der Frage zu befassen wie unzutreffende Angaben in der Blickfangwerbung zu beurteilen sind (BGH Urteil vom 18.12.2014 – I ZR 129/13 – Schlafzimmer komplet). In der Sache ging es unter anderem um die Bewerbung eines Schlafzimmers als „Schlafzimmer komplett“. Dieses war in der Werbung mit einem Doppelbett abgebildet, auf dem eine Matratze und Decken sowie Kissen lagen.

Weiter war der Hinweis enthalten

„KOMPLETT
DREHTÜRENSCHRANK
DOPPELBETT
NACHTKONSOLEN“

Dieser befand sich in hervorgehobener Form in einem eingerahmten Kasten. Erst am Ende der Abbildung war in kleinerer schwarzer Schrift vermerkt:

„Ohne Lattenroste, Matratzen, Beimöbel und Deko“

Ein Verweis (z.B. Sternchenverweis) im Blickfang zu dieser Erläuterung war nicht enthalten.

Der BGH sah diese Werbung gleichwohl im Ergebnis nicht als irreführend an.
Für die Beurteilung der Irreführung sei auf die Auffassung der Verbraucher abzustellen ist, an die sich die Werbung richtet. Es sei dasjenige Verständnis maßgeblich, welches der Verkehr von dem von der betreffenden Aussage ausgehenden Gesamteindruck hat. Einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung dürfen dabei nicht aus dem Zusammenhang, in dem sie stehen, gerissen und isoliert betrachtet werden. Auch sei ggf. die wirtschaftliche Tragweite eines möglichen Kaufentschlusses zu berücksichtigen.

Nach dieser Maßgabe erwarte zwar ein Verbraucher bei der hervorgehobenen Angabe „Komplett, Drehtürenschrank, Doppelbett, Nachtkonsolen“ und der Abbildung eines Bettes mit Matratze, dass das Angebot ein funktionsgerecht ausgestattetes Bett samt Lattenrosten und Matratzen erfasse.

Objektiv unzutreffende Aussage nicht immer irreführend

Eine Irreführung liege jedoch nicht vor, da davon auszugehen sei, dass der Verbraucher die in kleiner Schrift gehaltene Erläuterung des Angebotsinhalts auch ohne einen klarstellenden Hinweis etwa in Gestalt eines Sternchenhinweises zur Kenntnis nehmen werde.

Entgegen der Annahme der Revision ist nicht in jedem Fall ein Sternchenhinweis oder ein anderer klarstellender Hinweis an den isoliert irreführenden blickfangmäßigen Angaben in einer Werbung erforderlich, um einen Irrtum der Verbraucher auszuschließen.

Vielmehr kann es genügen, dass es sich um eine Werbung – etwa für langlebige und kostspielige Güter – handelt, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis nehmen wird.

Unerheblich sei in diesem Zusammenhang auch, dass die – unrichtigen – Angaben im Blickfang geeignet sind, den Verbraucher zu veranlassen, sich überhaupt mit der Werbung näher zu befassen. Dies reiche für eine Irreführung allein nicht aus.

Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken ist eine Geschäftspraxis irreführend, wenn sie zum einen falsche Angaben enthält oder den Durchschnittsverbraucher zu täuschen geeignet ist und zum anderen den Verbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Eine geschäftliche Entscheidung ist gemäß Art.2 Buchst.k der Richtlinie 2005/29/EG jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will. Dieser Begriff erfasst außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C – 281/12, GRUR 2014, 196 Rn. 36 bis 38 = WRP 2014, 161 – Trento Sviluppo; vgl. dazu auch Köhler, WRP 2014, 259, 260).

Dagegen stellt die Entscheidung des Verbrauchers, sich mit einem beworbenen Angebot in einer Werbeanzeige näher zu befassen, die durch eine blickfangmäßig herausgestellte irreführende Angabe veranlasst worden ist, für sich gesehen mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs mit einem Erwerbsvorgang noch keine geschäftliche Entscheidung im Sinne von Art. 2 Buchst. k und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG dar.

Die beanstandete Werbeanzeige wäre daher nur als irreführend anzusehen, wenn anzunehmen wäre, dass der Durchschnittsverbraucher nicht durch die weiteren in der Anzeige enthaltenen Angaben davon abgehalten wird, eine auf Irreführung beruhende geschäftliche Entscheidung zu treffen. Davon kann aber keine Rede sein.

Fazit

Nicht jeder Fall der unrichtigen Blickfanwerbung stellt danach eine Irreführung der Verbraucher dar. Die Frage der Irreführung ist für jeden konkreten Fall individuell zu beurteilen.

Helena Golla